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Waldorfpädagogik und Anthroposophische Heilpädagogik

Die Bettina-von-Arnim-Schule fühlt sich der Waldorfpädagogik  und der anthroposophischen Heilpädagogik verpflichtet, wie sie von Dr. Rudolf Steiner ( 1861 – 1925 ) angeregt wurden.

Das Menschenbild der Waldorfpädagogik und der anthroposophischen Heilpädagogik geht davon aus, dass es einen untrennbaren Zusammenhang zwischen leiblichen, seelischen und geistigen Kräften im Menschen gibt. Anregungen und Impulse in einem Bereich wirken sich deshalb auch immer auf die anderen Bereiche aus. So wird Lernen zu einem umfassenden Bildungs- und Entwicklungsprozess, der den ganzen Menschen in seinem gesamten Lebensgefüge ergreift. Durch die Gestaltung des Lern- und Lebensraumes Schule und die  Rhythmisierung der Zeitabläufe möchten wir dies fördern.

Die Waldorfpädagogik und die anthroposophische Heilpädagogik basieren auf einem Menschenbild, das von der Unverletzbarkeit des Wesenskerns eines jeden Menschen ausgeht. Die menschliche Individualität kann in ihren Ausdrucks- und Entfaltungsmöglichkeiten behindert oder eingeschränkt sein, nicht aber in ihrem innersten Wesen. An diesen unverletzbaren Persönlichkeitskern wenden sich unsere pädagogischen, heilpädagogischen und therapeutischen Bemühungen. Wir möchten jedes Kind und jeden Jugendlichen begleiten und stärken, um ihm in seinen individuellen Lern- und Ausdrucksmöglichkeiten zur Entfaltung zu verhelfen.

Waldorfpädagogik

Geschichte

Die Waldorfpädagogik entstand aus einem reformpädagogischen Anliegen und basiert auf der von Rudolf Steiner (1861 – 1925) begründeten Anthroposophie und dem sich daraus ergebenden Verständnis von der Entwicklung des Kindes und seiner Begleitung.

Die erste Waldorfschule wurde 1919 in Stuttgart gegründet. Emil Molt, damaliger Direktor der Zigarettenfabrik Waldorf-Astoria, war auf das Wohlergehen seiner Arbeiter und deren Familien bedacht und bat Rudolf Steiner, ein Konzept zur pädagogischen Betreuung und Förderung der Arbeiterkinder zu erstellen. Rudolf Steiner konzipierte eine Schule, die in struktureller und methodisch-didaktischer Hinsicht innovativ war. So wurde Rudolf Steiner zum Begründer der Waldorfpädagogik und Emil Molt zum Gründer der ersten Waldorfschule, die den Firmennamen in ihren Namen integrierte. Rudolf Steiner übernahm die Ausbildung des ersten Lehrerkollegiums und begleitete und beriet die Schule intensiv bis zu seinem Tod im Jahr 1925.

Die Waldorf-Astoria-Betriebsschule wurde das pädagogische Modell für alle weiteren Waldorfschulgründungen. Von Anfang an richtete sich das Konzept der Waldorfpädagogik an alle Kinder, unabhängig von Einkommen, Ausbildung, Herkunft und religiöser Orientierung der Eltern. Diesen Grundsatz pflegt die Waldorfschulbewegung bis heute.

Schulgeschichtlich erlangte die erste Waldorfschule in Stuttgart Bedeutung, weil mit ihr zum ersten Mal das Prinzip der Gesamtschule verwirklicht wurde, ein bis heute richtungsweisendes Konzept. Der gemeinsame Unterricht von Jungen und Mädchen von der ersten bis zur zwölften Klasse war 1919 ein revolutionärer Schritt. Die Gründung der ersten Waldorfschule im Jahr 1919 war der Beginn einer weltweiten Bewegung. Heute gibt es in 60 Ländern mehr als 1000 Waldorfschulen, knapp 2000 Waldorfkindergärten und mehr als 600 heilpädagogische Schulen, die nach dem Konzept der Waldorf-Pädagogik arbeiten.

Die Waldorfschulen in Deutschland haben sich im Bund der Freien Waldorfschulen e.V. organisiert.

Merkmale

Die Waldorfschulen gründen ihre Pädagogik und Unterrichtsmethodik auf die Beobachtungen und Darstellungen Rudolf Steiners zu Gesetzmäßigkeiten der kindlichen Entwicklung. Der von ihm aus diesen Erkenntnissen und einer umfassenden Anthropologie heraus gestaltete Lehrplan nimmt Rücksicht auf die altersspezifischen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen.

Im Mittelpunkt steht dabei der Blick auf die individuellen Entwicklungspotentiale des einzelnen Kindes und deren Förderung.  Der Lehrplan der Waldorfschulen befindet sich in einem ständigen Entwicklungs- und Bearbeitungsprozess und hat somit einen lebendigen, nicht zur Erstarrung neigenden Charakter. Die Ergebnisse der  gewonnenen pädagogischen Erkenntnisse werden von der Pädagogischen Forschungsstelle des Bundes der Freien Waldorfschulen e.V. veröffentlicht. Darauf basierend ergeben sich die Grundlinien eines Unterrichts und einer ganzheitlichen Förderung der Kinder und Jugendlichen durch eine Methodik und Didaktik, die gleichermaßen das Lernen mit Kopf, Herz und Hand anspricht.

Neben dem Erlernen der Kulturtechniken und der Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten werden im künstlerischen und handwerklichen Unterricht die emotionalen und sozialen Fähigkeiten gefördert und die Willenskräfte gestärkt und kultiviert. Durch das Unterrichten in Epochen können Unterrichtsgebiete konzentriert einige Wochen lang jeden Morgen in den ersten beiden Unterrichtsstunden behandelt und dann abgeschlossen werden. Lehrbücher kommen nur begrenzt zum Einsatz, stattdessen werden die vermittelten Unterrichtsinhalte in Epochenheften selbst aufgezeichnet. Anschaulichkeit, Gesamtbetrachtung und altersgemäße Darstellungen der Themen werden in der Unterrichtsgestaltung berücksichtigt. Das Konzept der Waldorfpädagogik beinhaltet von Beginn an einen gemeinsamen, lernzielgleichen Unterricht von Mädchen und Jungen. Auf Ausleseverfahren und „Sitzenbleiben“ wird verzichtet. So kann sich im Lauf der  Schuljahre eine stabile altershomogene Klassengemeinschaft bilden, die soziales Übfeld und Halt zugleich darstellt. Der Klassenlehrer oder die Klassenlehrerin begleitet die Klasse in der Regel vom ersten bis zum achten Schuljahr und ist somit eine verlässliche Bezugsperson.

Die Leistungsbewertung erfolgt nicht in Form von Notenzeugnissen. Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler werden stattdessen in ausführlichen Textzeugnissen beschrieben, wobei auch die sozialen und persönlichen Kompetenzen und deren Entwicklung Berücksichtigung finden. In den sogenannten „Monatsfeiern“ haben die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, bei Darstellungen aus dem Unterricht verschiedenster Fachbereiche einander wahrzunehmen. In den Klassen 8 und 12 mündet eine intensive theaterpädagogische Arbeit in die öffentliche Aufführung von Klassenspielen. In Form von persönlichen Projektarbeiten kann in den höheren Jahrgangsstufen das eigenverantwortliche und selbstbestimmte Lernen angeregt und geübt werden. Dies trägt zum Erleben der eigenen Wirksamkeit bei.

So ist die Waldorfpädagogik ausgelegt auf die Befähigung zum eigenen Lernen, auf die bestmögliche Entwicklung der im Kind schlummernden Fähigkeiten und Möglichkeiten.

Waldorfschulen sind Schulen in freier Trägerschaft, die sich meist in Vereinsform organisieren. Sie verstehen sich als Organisationen in Selbstverwaltung. Der pädagogische und organisatorische Austausch der Lehrkräfte untereinander und mit den Eltern ist grundlegend und wird intensiv gepflegt. In Form von Konferenzen und Arbeitsgremien findet dies seine Entsprechung. Jede Waldorfschule stellt ihre Lehrkräfte selbst ein.

Die Aufgabe eines Waldorflehrers oder einer Waldorflehrerin fordert die Schulung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die über reine Stoffvermittlung hinausgehen. Hauptziel der waldorfeigenen Lehrerbildung ist es, die Unterrichtsinhalte als Helfer für die kindliche Entwicklung einzusetzen und die kindliche Entwicklung so beobachten und verstehen zu lernen, dass aus der eigenen Erkenntnisarbeit die Ideen für eine alters- und situationsgemäße Methodik gewonnen werden können.

Anthroposophische Heilpädagogik

Geschichte

Aus den selben Quellen einer anthroposophisch orientierten Menschenkunde, wie die Waldorfpädagogik, entstand die anthroposophische Heilpädagogik. Schon in der ersten 1919 in Stuttgart gegründeten Waldorfschule wurde auf Anregung Rudolf Steiners eine „Hilfsklasse“ für diejenigen Kinder eingerichtet, die dem Unterricht schlecht folgen konnten, um sie besser fördern zu können.

1924 traten drei junge Menschen mit der Bitte an Rudolf Steiner heran, sie beim Aufbau einer Einrichtung für behinderte Kinder und Jugendliche zu unterstützen. Daraus entwickelte sich das „Heil- und Erziehungsinstitut für seelenpflegebedürftige Kinder Lauenstein“ in Jena.

Im selben Jahr hielt Rudolf Steiner in Dornach/Schweiz einen seminaristisch aufgebauten Vortagszyklus vor Ärzten und Heilpädagogen, in dem er grundlegende Gesichtspunkte für eine heilpädagogische Arbeit darstellte und durch Vorstellung und Besprechung einzelner Kinder individuell konkretisierte.

Seitdem wurde dieser Impuls weiterentwickelt und es gründeten und gründen sich international heilpädagogische, Schulen, Einrichtungen und Lebensorte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Förder- und Hilfebedarf. Derzeit gibt es international etwa 530 Einrichtungen für Heilpädagogik und Sozialtherapie, mehr als 60 Ausbildungsstätten und ca. 30 Verbände in mehr als 40 Ländern.

Merkmale

In Vorträgen, Seminaren und Schriften stellte Rudolf Steiner ausführlich seine Erkenntnisse zur gesunden Entwicklung des Kindes und deren Gesetzmäßigkeiten dar. Er beschreibt, wie das Kind sich allmählich „einwohnt“ in seinen Leib, ihn als Instrument seiner Seele benutzen lernt und durch ihn in der Welt tätig werden kann. Ein schönes Bild dafür findet sich in der Musik: Ein Musiker spielt eine Komposition auf seinem Instrument. Im Zusammenspiel entsteht ein Wohlklang. So wie der Musiker sein Instrument zum Klingen bringt, so bildet der Mensch von frühester Kindheit an seinen Körper zum leiblichen Instrument, mit dem er die Welt ergreift und gestaltet. Was aber passiert, wenn das Instrument beschädigt oder die Komposition an einigen Stellen nicht lesbar ist?

Der Musiker wird die Musik nicht so darbieten können, wie er es eigentlich vermag. Sein eigentliches Können bleibt im Verborgenen. So bringt manches Kind das Schicksal mit, dass das „Einwohnen“ in den Leib erschwert ist und dieser als Instrument der Seele und für das tätige Weltergreifen nur begrenzt genutzt werden kann. Das innere Wesen des Kindes, seine unverletzbare, ureigene Individualität, bleibt zum Teil verborgen. Das nehmen wir dann als Entwicklungsverzögerung, Behinderung und Beeinträchtigung wahr.

Die anthroposophische Heilpädagogik hat das Anliegen, dem inneren, immer gesunden Wesen des Kindes zu helfen, soweit irgend möglich seinen Leib als Instrument der Seele zu ergreifen und in der Welt wirksam zu werden. Im Begriff „seelenpflegebedürftig“, den Rudolf Steiner für diese Kinder prägte, kommt dieses Anliegen zum Ausdruck. Um sich für die heilpädagogische Aufgabe zu befähigen, wies Rudolf Steiner immer wieder darauf hin, dass das liebevolle Interesse für die Besonderheiten eines Kindes der Schlüssel ist für Verständnis und Ideen zur Förderung. Es geht darum, sich mit dem Kind verbinden zu wollen und es wirklich in seinen verschiedensten Lebensäußerungen verstehen zu wollen.

Zur anthroposophischen Heilpädagogik gehören die Wahrnehmung der Äußerungen des Kindes einschließlich einer klassischen Diagnosestellung, das Studium einer Menschenkunde, die sich an den Phänomenen orientiert, das Verstehen und Interpretieren der Äußerungen und Besonderheiten als eine „Sprache der Phänomene“ und eine fortwährende Selbstschulung des Heilpädagogen. In der anthroposophischen Heilpädagogik fließen medizinisch-therapeutische und pädagogisch-heilpädagogische Bemühungen zusammen. Aus langjähriger Arbeit, Forschung und Erfahrung wurde ein reiches Repertoire an Literatur, Methoden und Materialien entwickelt, auf das in der Arbeit zurückgegriffen werden kann. Für die Ausgestaltung einer heilpädagogischen Waldorfschule ergibt sich, dass Waldorfpädagogik und anthroposophische Heilpädagogik sich verbinden. Der Waldorflehrplan wird adaptiert an die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler, behält aber seine Grundstruktur und seine altersgemäße Ausrichtung. Ein intensiveres Ansprechen der Sinne "die Berge bergiger und die Flüsse flüssiger machen", Auswahl von Schwerpunkten im Unterrichtsstoff und individuellere Förderung sind Elemente der Gestaltung. Die heilpädagogische Arbeit in der Schule fließt unmittelbar in die Gestaltung von Unterricht und Schulleben ein und wird unterstützt durch verschiedene therapeutische Hilfestellungen.